Schleweis: "Alle Kräfte mobilisieren, um die Krise zu überwinden"
DSGV-Präsident Helmut Schleweis sieht "uns alle vor der größten Herausforderung der letzten sechzig Jahre – die Finanzkrise vor etwas mehr als zehn Jahren eingeschlossen." Bei der Bilanzpressekonferenz umreißt er die Herausforderungen und die Verantwortung der Sparkassen-Finanzgruppe. Der Teil des Statements zu Corona im Wortlaut.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
eigentlich hatten wir vor, Ihnen heute in bewährter Form die Geschäftszahlen der Sparkassen-Finanzgruppe für 2019 vorzustellen. Innerhalb weniger Tage haben wir aber in der ganzen Welt mit dem Coronavirus eine völlig neue Lage. Sie verändert alle bisherigen Prioritäten. Und sie fordert völlig neues Denken von uns allen.
Vor uns allen steht die größte Herausforderung der letzten sechzig Jahre – die Finanzkrise vor etwas mehr als 10 Jahren eingeschlossen. Wir werden alle Kräfte, alle Reserven und die ganze Gesellschaft mobilisieren müssen, um diese Krise gemeinsam zu bestehen. Aber wir werden das gemeinsam schaffen. Wir werden das Virus besiegen. Es wird eine Zeit nach Corona geben. Wir müssen jetzt gemeinsam durchhalten und uns gegenseitig unterstützen.
Worum geht es jetzt? Absolute Priorität hat der Schutz derjenigen Menschen, für die das Virus eine hohe Gefahr darstellt: Das sind vor allem ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Die Ansteckungsketten müssen unterbrochen und verlangsamt werden, damit unser Gesundheitssystem leistungsfähig bleibt.
Deshalb müssen wir unsere sozialen Kontakte für eine gewisse Zeit auf das notwendige Mindestmaß beschränken. Deshalb müssen die Jüngeren, Leistungsfähigeren und Robusteren durch zwischenzeitlichen Verzicht Rücksicht auf Ältere und gesundheitlich Vorbelastete nehmen. Und deshalb müssen wirtschaftliche Interessen hinter Leib und Leben zurücktreten – das ist klar.
Wir unterstützen die getroffenen Maßnahmen der Bundesregierung, der Landesregierungen und der zuständigen Behörden uneingeschränkt. Die Herausforderung besteht darin, dass wir das alles tun und gleichzeitig die öffentlichen und betrieblichen Infrastrukturen aufrechterhalten müssen. Ich weiß mit Blick auf die Sparkassen, wovon ich hier spreche.
Angesichts der notwendigen erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der vielen Menschen, die nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeiten können, müssen wir in den nächsten Monaten mit einem sehr spürbaren wirtschaftlichen Einbruch rechnen – weltweit, in Europa und in Deutschland. Und das alles gleichzeitig.
Und wir müssen uns dagegen stemmen, dass aus dieser Gesundheits- und Wirtschaftskrise auch noch eine Finanzkrise wird. Deshalb konzentrieren sich die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe im Einklang mit den Beschlüssen der Bundesregierung auf zwei Punkte:
Erstens: Die Sparkassen-Finanzgruppe hat Geschäftsverbindungen zu rund zwei Dritteln der deutschen Unternehmen. Darunter sind sehr viele, die durch den faktischen Stillstand des öffentlichen Lebens sehr rasch an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kommen werden.
Die wichtigste Aufgabe von Sparkassen und Landesbanken ist es, diesen Unternehmen und Freiberuflern durch dieses tiefe Tal zu helfen und sie vor einem wirtschaftlichen Absturz zu bewahren. Das von der Bundesregierung aufgelegte Programm für Liquiditäts- und Kredithilfen ist dafür eine gute und notwendige Grundlage. Es geht darum, auch solchen Unternehmen und Einzelpersonen Unterstützung zu geben, die unter normalen Umständen keinen Zugang zu Krediten bekommen könnten. Nur Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind in der Lage, ein solches Programm flächendeckend in Deutschland umzusetzen.
Uns ist sehr wichtig, dass die Hilfen schnell und wirksam bei den wirklich Betroffenen ankommen. Dazu hat die Deutsche Kreditwirtschaft gestern die notwendigen Modalitäten mit der KfW und in sehr enger Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen vereinbart.
Ab Montag sind für die Kunden nun Anträge auf den üblichen Antragswegen möglich.
Die KfW hat zugesagt, am morgigen Freitag die entsprechenden Detailinformationen zu geben. Ich kann Ihnen aber schon einige Eckpunkte nennen, die uns wichtig waren und die auch so vereinbart wurden.
- Ziel der Programme ist die sofortige Unterstützung der betroffenen Unternehmen. Dabei soll – dort, wo nötig - auch mit Tilgungsaussetzungen gearbeitet werden, und zwar nach Möglichkeit schon ab dem nächsten Fälligkeitstermin am 31. März 2020.
- Für viele Unternehmen muss es jetzt schnell gehen. Und es ist Sparkassen möglich, Unternehmen sehr schnell Kredite zur Liquiditätsüberbrückung einzuräumen. Das erfordert aber eine Haftungsfreistellung.
Die deutschen Sparkassen werden die KfW entlasten, indem sie eine Risikoprüfung durchführen, auf die sich die KfW stützen kann.
Das wird den Prozess gegenüber sonst üblichen Programmen deutlich beschleunigen und ist in der aktuellen Situation sehr hilfreich.
Die KfW hat ihre bestehenden Programme für Liquiditätshilfen ausgeweitet, um den Zugang der Unternehmen zu günstigen Krediten zu erleichtern,
- darunter den KfW-Unternehmerkredit für Bestandsunternehmen,
- den ERP-Gründerkredit-Universell
- sowie den KfW-Kredit für Wachstum für größere Unternehmen.
Die Kredite aus dieser ersten Phase des Hilfspakets können die Unternehmen über ihre Hausbanken beantragen.
- Für kleine und mittlere sowie für große Unternehmen führt die KfW ein neues KfW-Sonderprogramm mit erhöhter Risikotoleranz ein. Dieses soll von Unternehmen in Anspruch genommen werden können, die durch die Corona-Krise in größere Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind.
- Überdies wird die KfW für größere Unternehmen Direktbeteiligungen im Rahmen von Konsortialfinanzierungen anbieten.
- Aus Sicht der Sparkassen-Finanzgruppe ist es sehr wichtig, dass die Bundesregierung ein spezielles Programm für Freiberufler, Künstler und Selbständige ein Programm auflegt, das schnell wirkt und unbürokratisch umgesetzt werden kann. Wir begrüßen deshalb die entsprechenden Beschlüsse von heute. Hier geht es um Kundengruppen, bei denen vor allem Zuschüsse wirksam sind und mit Krediten nur im Ausnahmefall geholfen werden kann.
All das erfordert auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sparkassen und ihrer Verbundunternehmen einen hohen persönlichen Einsatz und unternehmerisches Handeln jenseits gewohnter Verfahren.
Manches unterliegt im Moment den allgemeinen Einschränkungen. Wir arbeiten mit allen verfügbaren Kapazitäten.
Wir stehen gemeinsam bereit, den betroffenen Unternehmen sehr schnell Hilfen anzubieten und damit eine breite wirtschaftliche Talfahrt zu verhindern.
Ich sage zu: Die deutsche Sparkassen-Finanzgruppe wird ihre öffentliche Aufgabe umfassend wahrnehmen.
Der zweite Schwerpunkt, auf den wir uns aktuell konzentrieren, ist der Erhalt einer leistungsfähigen Finanz-, vor allem Zahlungsinfrastruktur.
- Über unsere Netze laufen rund 50 Prozent des deutschen Zahlungsverkehrs.
- Rund 40 Prozent aller in der deutschen Finanzwirtschaft Beschäftigten arbeiten in unserer Gruppe.
- Wir betreiben rund ein Drittel aller deutschen Bankfilialen.
Wir wissen um unsere Verantwortung für die Sicherung dieser Infrastruktur in den nächsten Wochen. Und ich sage hier ganz klar: Es wird alles technisch und Menschen Mögliche getan, damit es hier zu keinen grundlegenden Störungen kommt.
Die Bargeldversorgung wird uneingeschränkt sichergestellt. Sollte einmal ein Geldautomat in Deutschland nicht arbeiten, dann ist das ein Defekt und kein Krisensymptom!
Wir empfehlen aber kontaktlose Zahlungen mit Karte oder Smartphone. Damit kann das Ansteckungsrisiko deutlich minimiert werden. Das entspricht auch den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
An einer ganzen Reihe von Standorten müssen aktuell Geschäftsstellen geschlossen werden. Gründe dafür sind zuweilen gesundheitliche Prävention, Auftreten von einzelnen Erkrankungen, Absprachen mit Gesundheitsbehörden – in den meisten Fällen aber die ganz praktische Frage der Kinderbetreuung. Die Sparkassen haben ihre Kräfte neu eingeteilt, um auch bei zeitweisen Ausfällen von Mitarbeitern handlungsfähig zu bleiben.
Meine Damen und Herren, wir alle werden in den nächsten Wochen lernen müssen, mit dem Virus umzugehen. Das wird uns gelingen. Und ich gestatte mir einen Augenblick auch einmal, stolz auf meine Kolleginnen und Kollegen zu sein. An ganz vielen Stellen in Deutschland und in ganz vielen Berufen wird derzeit außergewöhnliche Arbeit geleistet. In Sparkassen, Landesbanken und ihren Verbundunternehmen auch.
Das zeigt, wozu unser Land fähig ist, wenn es darauf ankommt. Darauf können wir aufbauen, wenn sich die Situation weiter zuspitzen sollte