US-Wahl: Wirkungen auf Deutschland
Eine erste gemeinsame Einschätzung der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe
Mit der eindeutigen Wiederwahl Donald Trumps wird die bereits begonnene Reise in ein neues, weniger liberales und ökonomisch unsichereres Zeitalter beschleunigt. Daneben bleibt das Ausmaß der internationalen Gegensätze und Konflikte hoch und verändert die Struktur des Welthandels. Aktuell besteht große Unsicherheit darüber, welchen wirtschaftspolitischen Ankündigungen Trumps wann und in welchem Ausmaß Taten folgen werden. Entsprechend weitgefächert sind die zu erwartenden ökonomischen Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft.
In der Sparkassen-Finanzgruppe haben die jeweiligen Häuser hierzu ihre Szenarien erstellt, die die Bandbreite der aktuellen Diskussion abbilden. Die hierin zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Meinungen spiegeln die große Unsicherheit sowohl über die Ausgestaltung der Maßnahmen, als auch deren Auswirkungen auf die US- und europäische bzw. deutsche Wirtschaft wider. Tendenziell lassen sich zwei Szenarien verdichten. Im positiveren Fall dürfte Deutschland für 2025 ein leichtes Wachstum erreichen. Im negativeren Fall deutet sich für 2025 eine Rezession in Deutschland an.
Das Programm
Das Wirtschaftsprogramm der Republikaner unter Donald Trump war bereits im Vorfeld der Wahl bekannt. Im Bereich der Steuerpolitik dürfte er seine polarisierende Politik von vor vier Jahren fortsetzen. So soll wohl der niedrige Unternehmenssteuersatz von 21 % gemäß dem Tax Cuts and Jobs Act von 2017 beibehalten werden. Bestandteil dieser Steuerreform waren aber auch Senkungen der Erbschaftsteuer sowie der individuellen Einkommensteuer. Diese Vergünstigungen gelten bislang nur bis Ende 2025. Trump hat vor, auch diese dauerhaft zu gewähren. Zusammen mit Vergünstigungen, die im Zuge der Corona-Pandemie gewährt wurden (CARES Act, u. w.), würde dies nach Berechnungen des Committee for a Responsible Federal Budget Mehrkosten in Höhe von jährlich 2,5 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bedeuten.
Gleichzeitig hat Trump aber auch eine Senkung der Unternehmenssteuer auf 15 % für Unternehmen in Aussicht gestellt, die in den USA produzieren. Weitere Verlautbarungen, die Einkommenssteuer ganz abschaffen zu wollen und die verlorenen Einnahmen durch Zolleinnahmen ersetzen zu wollen, tragen nicht dazu bei, Vertrauen in eine solide Haushaltspolitik zu generieren. Falls derartige Experimente umgesetzt würden, dürfte neben weitreichenden internationalen Kollateralschäden vor allem das US-amerikanische Defizit weiter bedrohlich anschwellen.
Im Widerspruch hierzu hatte Trump auch angekündigt, die Staatsverschuldung zu verringern. Hierfür wäre es notwendig, das derzeitige Defizit von zuletzt gut 6 % in Relation zum BIP deutlich zu reduzieren. Dies wäre über einen Zeitraum von vier Jahren ein extrem ambitioniertes Ziel. Auch wenn Trump im Wahlkampf eine Reduktion der Ausgaben für Staatsangestellte und der Förderung Erneuerbarer Energien sowie eine Senkung der Ausgaben für internationale Konflikte angekündigt hat, blieb er bis zuletzt die Antwort darauf schuldig, mit welchen Maßnahmen er dieses Ziel erreichen möchte, zumal für 2024 laut IWF das US-Defizit bei 7,6 % des BIP erwartet wird.
Im Bereich der Handelspolitik wurde er hingegen ebenfalls sehr konkret: So schlug er einen Zollsatz für chinesische Güter in Höhe von 60 % sowie für alle anderen Länder einen generellen Zolltarif von 10 % oder 20 % vor. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump verschiedene Handelsstreitigkeiten insbesondere mit China ausgefochten und begründete diese mit der Nationalen Sicherheit. Damals stieg der Zollsatz gegenüber China von ursprünglich gut 3 % auf knapp 20 %. Während es ihm hierbei auch um den Schutz der heimischen Industrie ging, waren insbesondere die Drohungen gegen europäische Länder eng verbunden mit der Aufforderung, die Verteidigungshaushalte gemäß des NATO-Beschlusses von 2014 auf 2 % des BIP anzuheben.
Ferner wird mit Trump allgemein eine unternehmensfreundlichere Politik verbunden als mit der bisherigen Regierung unter Biden. Dies beginnt mit der Steuerpolitik und geht weiter mit einem Abbau von Bürokratie. Dies betrifft auch die Bankenregulierung. So hat Trump angekündigt, Basel III nicht umzusetzen und Nachhaltigkeitsberichterstattungen nicht weiter zu verfolgen. Für eine internationale Gleichbehandlung stellt sich daher die Frage, welche Regulierungen mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas angepasst werden müssen. Weiter hat Trump die Aufkündigung der Klimaabkommen für die USA und Förderungen insbesondere für den Bereich der fossilen Energiegewinnung angekündigt. Diese Themen mögen in einer ersten Reaktion im Anschluss an den Wahlausgang für US-Risiko-Assets zu Kursgewinnen führen. Die klimatischen und ökonomischen Folgen einer derartigen Politik dürften dann zukünftig virulent werden.
Aus heutiger Sicht lassen sich die Auswirkungen der Vorschläge zur Handelspolitik nur in Bandbreiten ermitteln. Denn hierzu bedarf es Annahmen über eine Reihe von Variablen, also etwa die Gegenreaktionen der Handelspartner, Wechselkursentwicklungen, Mitnahmeeffekte in Form von eigenen Preiserhöhungen der heimischen Industrie sowie über den Faktor Unsicherheit.
Begrenzt auf den reinen Preiseffekt würde die Zollanhebung gegenüber China das inländische Preisniveau der USA um gut 0,6 Prozentpunkte anheben. Eine Anhebung des Zollsatzes aller anderen Ländern (ohne Kanada und Mexiko) könnte einen zusätzlichen Preisschub von knapp 0,5 Prozentpunkten generieren. Weitere Simulationen zeigen, dass ein im Frühjahr eingeführter 10 % Zoll auf alles das Preisniveau bis Ende 2025 um 0,7 Prozentpunkte erhöhen würde. Bei einem Zoll von 20 % wäre der Inflationsschub entsprechend noch höher. Die Länder Kanada und Mexiko scheinen wegen des Freihandelsabkommens US-MCA (vormals NAFTA) geschützt zu sein, denn hierfür bräuchte Trump vermutlich die Unterstützung des Kongresses. Weitere Länder mit Freihandelsabkommen wie Südkorea und Japan könnten ebenfalls weniger stark betroffen sein. Unterstellt man auch für diese Länder einen Zollsatz von 10 %, dann würde das inländische Preisniveau nochmals um gut 0,3 Prozentpunkte ansteigen. In Summe läge der originäre inländische Preiseffekt im Bereich von 1,1 bis 1,4 Prozentpunkten des BIP. Sollten zudem die Ankündigungen einer sehr restriktiven Migrationspolitik umgesetzt werden, dürfte dies einen zusätzlichen Preisschub auslösen, da die US-Wirtschaft nahe Vollbeschäftigung operiert und es somit kaum Möglichkeit der Importsubstitution gibt, die den Preisauftrieb dämpfen könnten.
Im Vergleich hierzu waren die Handelsstreitigkeiten in der ersten Amtszeit von Trump sehr gering. Laut einer Berechnung der Fed New York betrug der Preiseffekt der Zollmaßnahmen von 2018 bei den Verbraucherpreisen gerade einmal 0,3 Prozentpunkte. Zudem wurde er von der Fed als transitorisch eingeordnet und eine geldpolitische Reaktion blieb daher aus. Angesichts eines bedeutend höheren Preisschubs und inklusive der Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit mit transitorischen Preiseffekten würde aus heutiger Sicht eine geldpolitische Reaktion deutlich wahrscheinlicher.
Die Folgen
Die Wirkung der Trumpschen Wirtschaftspolitik hängen allerdings davon ab, was er tut, nicht davon, was er bisher gesagt hat. Angesichts der erratischen Vorgehensweise dieses Präsidenten ist es nicht einfach, aus seinen bisherigen Ankündigungen zur Wirtschaftspolitik konkrete Ableitungen für eine Konjunkturprognose der Jahre 2025/26 aufzustellen. Denn Trumps Vorgehensweise ist vor allem „Deal“-geprägt: Kommt er mit einem anderen Akteur in einzelnen Fragen überein, so können bisher angekündigte Maßnahmen, etwa aus dem Bereich Zölle oder Verteidigung von Timing und Umfang her erheblich abgeändert werden. Es gibt Anreize, die eine möglichst schnelle Umsetzung der „Grausamkeiten“ angezeigt sein lassen, insbesondere die begrenzte Amtszeit des Präsidenten. Andererseits wären die negativen inflationären Effekte etwa der Zollpolitik diametral entgegengesetzt zu Trumps Versprechungen im Wahlkampf.
Es gibt milde Formen von Zollerhöhungen, die das Wachstum in den USA und in Europa nur ein wenig dämpfen würden, ohne dass die EZB davon Notiz nehmen würde. Ein solches Szenario könnte darin bestehen, dass die US-Regierung im ersten Halbjahr 2025 Importzölle selektiv und moderat gegenüber der EU und pauschal etwas kräftiger gegenüber China erhöht. Über höhere Inflation in den USA geht hiervon eine Dämpfung der realen Aktivität um etwa 0,1 Prozentpunkt aus. Bei Wachstumserwartungen im Bereich von 2 % für die USA, wäre eine entsprechende Reduzierung keine Änderung des Gesamtbildes einer dynamischen Volkswirtschaft. In 2026 könnte das Wachstum sogar wieder leicht ansteigen, wenn sich negative Effekte der Handelspolitik und leichte Stimulierung des Wachstums durch Steuermaßnahmen und Deregulierungen die Waage halten. Für Euroland sind die Folgen einer selektiven Zollerhöhung wachstumsschädlich, dies jedoch ebenfalls in überschaubarem Ausmaß. Leicht sinkende Exporte in die USA führten in Deutschland und im Euroraum zu Abschlägen bei der BIP-Prognose von 0,1 Prozentpunkten in 2025 und 2026. Diese Szenarien kommen entsprechend auf Wachstumsraten in Deutschland von 0,4 % bis 0,7 % für 2025.
Zölle haben einen zumindest einmaligen Preisschub zur Folge. Dieser fiele in dieser milden Variante eines Zollprogramms mit 0,3 Prozentpunkten in den USA sehr gering aus und würde die Fed, wenn überhaupt, allenfalls zu einer Unterbrechung ihres gegenwärtigen Zinssenkungskurses von etwa einem halben Jahr veranlassen. Im Euroraum ergäben sich für die Geldpolitik voraussichtlich keine Konsequenzen.
Gegenüber diesem mildesten aller wahrscheinlichen Handelspolitik-Szenarien stehen aber auch härtere Szenarien, in denen die europäische Konjunktur empfindlich beeinträchtigt wäre. Eine Umsetzung des Maximal-Programms von Zollerhöhungen von 15 bis 20 Prozent gegenüber allen Ländern außer China (60 Prozent) mit entsprechenden Gegenmaßnahmen der Europäischen Union würde die Konsequenzen deutlich gravierender ausfallen lassen. Deutschland etwa hätte mit BIP-Rückgängen von 0,3 Prozentpunkten im ersten und 0,6 Prozentpunkten im zweiten Jahr zu rechnen. In dieser Lage wären die Konjunkturerwartungen sehr verwundbar. Zusätzliche Negativ-Faktoren, wie etwa die Aussicht auf einen fortgesetzten Handelskrieg, könnten sogar eine deutliche Rezession in Deutschland auslösen. Noch härtere Szenarien reduzieren die deutsche BIP Prognose für 2025 von 0,7 % auf minus 0,2 %.
Auch von der Inflationsseite wären die Folgen gravierender: Begrenzt auf den reinen Preiseffekt würde die Zollanhebung allein gegenüber China das inländische Preisniveau um gut 0,6 Prozentpunkte anheben. Eine Anhebung des Zollsatzes aller anderen Ländern (ohne Kanada und Mexiko) würde einen zusätzlichen Preisschub von knapp 0,5 Prozentpunkten generieren. Die Länder Kanada und Mexiko scheinen wegen des Freihandelsabkommens US-MCA (vormals NAFTA) geschützt zu sein. Unterstellt man dennoch auch für diese Länder einen Zollsatz von 10 %, dann würde das inländische Preisniveau nochmals um gut 0,3 Prozentpunkte ansteigen. In Summe läge der originäre inländische Preiseffekt im Bereich von 1,1 bis 1,4 Prozentpunkten des BIP. Im Vergleich hierzu waren die Handelsstreitigkeiten in der ersten Amtszeit von Trump sehr gering. Laut einer Berechnung der Fed New York betrug der Preiseffekt der Zollmaßnahmen von 2018 bei den Verbraucherpreisen gerade einmal 0,3 Prozentpunkte.
In diesem deutlich verschärften Szenario dürfte die Fed ihre Zinssenkungen wohl bis auf Weiteres aussetzen. Unterstellt man des Weiteren erheblichen Zollanhebungen der EU gegenüber den USA und auch China, um Umleitungen von Gütern zu reduzieren, dürfte auch zusätzlicher Inflationsdruck in Europa bzw. Deutschland entstehen. Allerdings sind die Einwertungen auch hier angesichts der hohen Unsicherheit nicht eindeutig. So gibt es auch Erwartungen, die Zinserhöhungen der Fed in 2025 für möglich halten und für die EZB bis Ende 2025 deutliche Zinssenkungen ins Spiel bringen, sollte die schwächere Konjunktur/Rezession den Lohn- und Preisdruck deutlich reduzieren und somit den Inflationsdruck aus der Handelspolitik überkompensieren.
Wenig erfolgreich dürfte die Trump-Administration mit der Eindämmung des chronischen Leistungsbilanzdefizits der USA sein, und das selbst bei einem verschärften Zollszenario. Denn solange die USA als erfolgreicher Wirtschaftsstandort und Emittent der Welt-Leitwährung netto Kapital importiert, geht damit automatisch ein Leistungsbilanzdefizit einher. Versuche, dies mittels Handelsbarrieren zu korrigieren, dürften sich vor allem in einem weiter steigenden Außenwert des US-Dollar widerspiegeln.
Eine große Szenario-Bandbreite existiert auch bei den angedachten steuerlichen Maßnahmen. Der Fortbestand der oben angesprochenen steuerlichen Vergünstigungen aus den letzten Jahren würde nach Berechnungen des Committee for a Responsible Federal Budget Mehrkosten in Höhe von jährlich 2,5 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bedeuten. Bei einer weiteren normalen wirtschaftlichen Entwicklung würde die staatliche Schuldenquote innerhalb von zehn Jahren über 140 % ansteigen. Weitere Senkungen der Unternehmenssteuern oder gar die Abschaffung der Einkommensteuer würden die Rechnung nochmals in die Höhe treiben. Auswirkungen auf die Rentenmärkte und auf die Finanzierungskosten im privaten Sektor wären zu erwarten.
Trumps weitere Vorhaben, etwa die Eindämmung illegaler Migration, die Deregulierung von Umwelt-, Finanz- und anderen Sektoren sowie seine Aufkündigung oder Reduzierung der Mitarbeit in internationalen Organisationen werden aufgrund der längeren legislativen Wege vermutlich gestreckter und in gegenüber den Ankündigungen veränderter Form umgesetzt werden. Daher sind ihre Wirkungen auf die ökonomischen Kernzahlen noch ungewisser als die zeitnäher zu erwartenden handelspolitischen Maßnahmen.
Auch die langfristigen Auswirkungen einer durchgreifenden Verwirklichung der Trump-Agenda und eventuell seiner Nachfolger auf die Institutionen der USA werden sich erst über viele Jahre hinweg zeigen. Möglich ist eine fortschreitende Aufteilung der Weltwirtschaft in zwei Blöcke oder sogar weitere Abkapselungen innerhalb dieser Blöcke. In Europa sind höhere Verteidigungsausgaben vorstellbar, allerdings wären nennenswerte fiskalische Impulse, etwa über höhere Verteidigungsausgaben, nur noch in Deutschland möglich. In den anderen großen Euro-Mitgliedstaaten existieren dafür kaum noch Spielräume.
Die Konsequenzen des Wirtschaftsprogramms der neuen US-Regierung bewegen sich also noch in relativ weiten Bandbreiten. Alles hängt von Timing und Schärfe der Maßnahmen, insbesondere der Handelspolitik ab, die einfach noch nicht bekannt sind. Da wissen wir wohl frühestens zum Amtsantritt Donald Trumps im Januar etwas mehr. Wir rechnen aber vor allem damit, dass wir in den kommenden Monaten unsere Prognosen häufiger revidieren müssen als sonst. Um es mit dem Fed-Präsidenten, Jerome Powell, zu sagen: „It´s such an early stage – there is nothing to model.“
Autorinnen und Autoren
Korbinian Dress – Hamburger Sparkasse
Uwe Dürkop – Berliner Sparkasse
Dr. Ulrich Kater – DekaBank
Dr. Moritz Kraemer – LBBW
Christian Lips – NORD/LB
Dr. Jürgen Michels – BayernLB
Dr. Timo Plaga – Sparkasse Hannover
Dr. Reinhold Rickes – DSGV
Dr. Gertrud Traud – Helaba
Prof. Dr. Carsten Wesselmann – Kreissparkasse Köln
Koordinatorin:
Dr. Sonja Scheffler