"Signal für einen weltoffenen, toleranten und internationalen Landkreis"
Mit einem Ausbildungsprojekt zeigt eine ostdeutsche Sparkasse, wie Integration im ländlichen Raum funktionieren kann – und wie alle davon profitieren.
Wenn man erfahren möchte, warum Integration allen nützt, dann hilft ein praktisches Beispiel: Die Sparkasse Elbe-Elster mit Sitz im brandenburgischen Finsterwalde bietet unter dem Titel „Azubis aus Europa und der Welt“ jungen, engagierten Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Ausland die Chance auf einen Ausbildungsplatz und auf eine berufliche Karriere in der Sparkasse. Das Projekt läuft so gut, dass sich der Erfolg auch außerhalb der Kreisgrenzen herumgesprochen hat: Schon im Jahr 2016 wurde das Institut vom Bundesverband der Personalmanager (BPM) mit dem Personalmanagement-Award ausgezeichnet.
Das Projekt zeigt: Integration belebt nicht nur das gesellschaftliche Miteinander, sondern trägt auch dazu bei, eine ganz handfeste Zukunftsaufgabe zu lösen: Die Region Elbe-Elster ist ländlich, und wie in vielen ländlichen Räumen ist es für die lokale Wirtschaft oft schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Viele Unternehmen klagen über unbesetzte Ausbildungsstellen und sinkende Bewerberzahlen. "Wir haben hier keine Metropole, mit der man leuchten könnte", weiß auch Jürgen Riecke, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Elbe-Elster. "Aber wir haben andere Qualitäten, mit denen wir aufwarten können: Gute Arbeitsplätze, attraktive berufliche Perspektiven, wunderschöne, naturnahe Landschaften und weltoffene, freundliche Menschen."
In vielen Ländern in Europa und der Welt finden junge, gut ausgebildete Menschen keine berufliche Perspektive, weil der Arbeitsmarkt aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen darniederliegt. Warum also nicht den Blick über die Grenzen schweifen lassen, um diese Talente ins Land zu holen? Vor einigen Jahren begann die Sparkasse Elbe-Elster damit, Stellenanzeigen auch im EU-Ausland zu schalten und vielversprechende Bewerberinnen und Bewerber zu Vorstellungsgesprächen einzuladen. 2013 gingen die ersten vier EU-Azubis an den Start. Alle vier sind inzwischen fest bei der Sparkasse angestellt. Seither haben jährlich neben deutschen Azubis auch immer wieder Neuankömmlinge aus Spanien, Griechenland, Polen und Bulgarien ihre Ausbildung angetreten, auch Bewerber aus dem Irak und dem Iran waren schon mit dabei. Und die Sparkasse zieht ein positives Zwischenfazit: Hochmotiviert seien die jungen Bewerber, mit viel Engagement und Ehrgeiz bei der Sache, und auch die Resonanz bei Kunden und Kollegen sei positiv.
Weil die erfolgreiche Eingliederung ausländischer Fachkräfte kein Selbstläufer ist, hat man sich bei der Sparkasse Elbe-Elster rechtzeitig Gedanken gemacht: Welche Stellschrauben müssen wie justiert werden, um die Erfolgschancen zu verbessern? Die Sparkasse organisiert Wohnungen und einen viermonatigen, intensiven Sprachunterricht, den die Neuankömmlinge vor Beginn der Ausbildung absolvieren müssen und der auch Alltagssituationen trainiert. Außerdem wird darauf geachtet, dass die ausländischen Azubis eines Jahrgangs möglichst aus unterschiedlichen Ländern kommen: Das verhindert Grüppchenbildungen und fördert das Erlernen der Landessprache. Die meisten Kandidaten sind etwa Mitte zwanzig, bringen also auch schon ein wenig Lebenserfahrung mit. Und die ausgewählten Bewerberinnen und Bewerber stammen hauptsächlich aus Regionen, die eine vergleichbare Struktur haben. Das erhöht die Bleibe-Wahrscheinlichkeit: "Wir bekommen regelmäßig auch Bewerbungen von jungen Menschen aus Großstädten wie Madrid oder Athen", sagt Riecke. "Aber mit dem Kultur- und Freizeitangebot solcher Metropolen kann unser Landkreis nicht konkurrieren. Wir wählen daher meist Kandidaten aus, die selbst aus einem eher ländlichen Umfeld stammen und sich bewusst für das entscheiden, was unsere Region zu bieten hat."
Trotzdem bleibt es eine Herausforderung, junge Menschen aus dem Ausland, die der Sprache nicht mächtig sind und die Region nicht kennen, fit zu machen für das alltägliche Bankgeschäft. Bei der Sparkasse Elbe-Elster hat man die Erfahrung gemacht, dass es sich durchaus auszahlt, Verantwortungsbereitschaft und Ehrgeiz frühzeitig zu unterstützen: Die Azubis werden direkt ins Tagesgeschäft integriert: "Wenn die Ausbildung beginnt, stehen sie am Schalter und kommunizieren mit den Kunden", sagt Riecke. Der Einsatz und die Motivation, mit der sie sich einbringen, kommt auch bei Mitarbeitern und Kunden gut an: In all den Jahren habe es jedenfalls noch keine Kritik, dafür viel positive Resonanz gegeben. Mehr noch: Die EU-Azubis beleben auch das Unternehmensklima. "Das Miteinander mit den ausländischen Azubis tut auch unseren deutschen Auszubildenden gut", findet Riecke. "Wenn die den Ehrgeiz sehen, mit dem die EU-Azubis bei der Sache sind, dann steigt auch deren eigene Motivation. Die Leistungen unserer deutschen Auszubildenden sind jedenfalls auch besser geworden."
Auch Verwurzelung und Verantwortung für die Region – Charakteristika der Sparkassen – vermitteln sich ohne weiteres an die Mitarbeiter aus dem Ausland: "Das regionale Engagement, das von der Sparkasse vorgelebt wird, färbt auch auf die Mitarbeiter ab", hat Riecke erfahren: "Da kommt uns vielleicht sogar zugute, das wir eine ländliche Region sind. Hier sind die Netzwerke überschaubarer und persönlicher – in einer Großstadt ist die Konkurrenz sicher größer."
Weil das Projekt im eigenen Haus so gut gelaufen ist, macht die Sparkasse auch bei anderen Betrieben im Kreis Werbung für Fachkräfte aus dem Ausland. So wurde beispielsweise eine Partnerschaft zu einer Berufsschule im nordspanischen A Coruña aufgebaut, um junge Handwerker aus Spanien nach Elbe-Elster zu bringen. Die Sparkasse hat, so lobt das Landratsamt, "eine führende Rolle bei der Integration von EU-Azubis im Landkreis übernommen." Sie sichere damit nicht nur "den eigenen Nachwuchs, sondern setzt auch ein Signal für einen weltoffenen, toleranten und internationalen Landkreis Elbe-Elster."